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Online-Workshop mit Daniela Labra (en)

»Beugungsübungen zu Kunst, Aktivismus, Geld und Performance«

Wann: Mittwoch 12.Mai 2021, 14Uhr – 18Uhr
Wo: Via Videokonferenz Zoom. Wir bitten um Anmeldung unter anmeldung[a]ngbk.de*
* Begrenzte Verfügbarkeit. Nach Bestätigung der Anmeldung werden die Teilnehmer kontaktiert, um einen Link oder ein PDF-Portfolio ihrer Forschung zu senden.

Cheril-Linett_YeguadaLatinoamericana_web
Cheril Linett, 2020

Beschreibung:

Ausgehend von kritischen Positionen und künstlerischen Vorschlägen, die die temporäre Sammlung des museo de la democracia ausmachen, diskutieren wir, wie die Kunst das unaufhaltsame Szenario der Kommodifizierung des Lebens annimmt: Um die Gegenwart und die Vergangenheit in Operationen zu kommentieren, die historische Narrative neu ordnen, Kanons untergraben, Identitätsparadigmen dekonstruieren, die dominanten Strukturen des Denkens in Frage stellen und anderes. Wir beobachten, wie Künstler_innen die öffentliche Sphäre interpretieren, agieren und reagieren, indem sie aktivistische Aktionen fördern, um Situationen institutioneller Gewalt zu begegnen, die oft von der neoliberalen rassistischen Hand unterstützt werden. Gleichzeitig verwandeln Künstler_innen in der widersprüchlichen Logik der Produktivität des künstlerisch-kulturellen Systems den Blick auf diverse politische und historische Prozesse in ›Arbeit‹ und macht die Kritik an unterdrückerischen Systemen auch zur Ware.

In Lateinamerika, dem Ausgangspunkt dieses Museums, sind permanente Zustände institutioneller Prekarität zu beobachten, die Projekte der Auslöschung der Erinnerung und des Verstummens pluraler Stimmen integrieren, um alte Machtstrukturen zu erhalten. Andererseits werden auch die künstlerischen Operationen des Widerstands und der Reartikulation des Realen analysiert, unterstützt durch Aktionen performativer, politischer und aktivistischer Natur.

Vor diesem Szenario werden folgende Fragen gestellt: Könnten wir auf dem Weg der Kommodifizierung einer politischen und aktivistischen Kunst abgrenzen, wann die Arbeit endet und das ›Produkt‹ beginnt? Wie und wann lässt sich vermeiden, dass das kritische künstlerische Bild zu einer ›konsumierbaren Sache‹ wird? Wäre die Annahme der Kommodifizierung aktivistischer Kunst nicht eine Strategie zur Finanzierung der aktivistischen und künstlerischen Praxis selbst? Wie kann man der Falle einer extraktivistischen aktivistischen Kunst entkommen?

Diese und andere Fragen werden unter den Teilnehmer_innen debattiert, wobei Künstler_innen der Ausstellung eingreifen werden und einzelne Kunstprojekte präsentiert werden. 

Programm

14-14.10 Uhr
Begrüßung und allgemeine Vorstellung des Workshops 

14.10-15.40 Uhr

Teil I – Geschichte erzählt, Archive verbrannt: wessen Erinnerung?
– Präsentation des Videos »Sin Título«, 2003, von Gustavo Artigas (Dauer: 2:40) und der Arbeit »America: Democracia racial, melting pot y pureza de razas/, flag« von Jaime Lauriano
– Gespräch mit Marcela Moraga über Kunst, Aktivismus und unabhängige Institutionen: Selbstverwaltung oder Tod
– Diskussion mit den Teilnehmer_innen

15.40-16 Uhr
Intervall – Übertragung des »Archivo Sonoro Militante« von Manuela García Aldana 

16-17.10 Uhr

Teil II – Quadrate, widerstandsfähige Körper und performative Operationen
Diskussion anhand der Projekte von Victor de La Rocque, Zoltan Kunckel, Andressa Cantergiani, Cheril Linett.

17:10-18 Uhr
Abschlussdiskussion: Kunst, Aktivismus, Geld und Performance – Kommodifizierung von politischer Kunst und Überlebensstrategien, wie damit umgehen? Teilnahme von Andressa Cantergiani und Victor de La Rocque.

Zum Inhalt des Programms:

»Teil I – Geschichte erzählt, Archive verbrannt: wessen Erinnerung?«

Ausgehend von den Arbeiten von Gustavo Artigas, Jaime Lauriano und Marcela Moraga stellen wir die allgemeine Problematik des museo de la democracia dar. Wir kommentieren die Prozesse der Konstruktion und institutionellen Auslöschung kollektiver Erinnerungen als ein Projekt der Aufrechterhaltung alter Strukturen extraktivistischer Macht. 

>> Teil I mit diesen künstlerischen Arbeiten:
Im Video »Untitled« simuliert Gustavo Artigas einen Brand im Museum für Geschichte von Panama, in Anlehnung an die Historie der Brände im Land. Zufälligerweise steht er stellvertretend für den verhängnisvollen Brand 2018 im Nationalmuseum von Rio de Janeiro ein, bei dem 80 % der größten naturhistorischen Sammlung Amerikas zerstört wurden. Jaime Lauriano hingegen imaginiert mit seiner Flaggenserie »Democracia Razial« alte Navigationskarten in Schwarz-Weiß und denkt die Entstehung ikonografischer Archive als Teil der historischen Erzählung von kolonialer Gewalt, der Auslöschung von Körpern und Gedanken. Als Ergänzung zur Problematik des Museums als Raum der Erinnerung und möglicher Ort des Widerstands präsentiert Marcela Moraga »Salvemos el Río Renaico«, eine Erfahrung über eine Gemeinde im Süden Chiles und ihre unabhängige Initiative, die Integrität und Geschichte des Flusses zu bewahren, der der Region seit den Zeiten der Vorfahren Leben geschenkt hat und sich heute aufgrund der unkontrollierten Ausbeutung seiner Ressourcen in einem Prozess der Verlandung befindet.

Teil II – Plazas, widerständige Körper und performative Aktionen

Ein zentrales Thema des museo de la democracia ist der öffentliche Raum, insbesondere die Plaza als Ort populärer rebellischer Handlungen, die neoliberale pseudodemokratische Strukturen in Frage stellen und Stimmen und Körper zusammenbringen, die nonkonform mit unterdrückerischen Staatsmechanismen und deren Machtsymbolen sind. Wir reflektieren Performance und Performativität als Ressource für Interventionen im Realen und denken über ihre kritisch-aktivistische Dimension nach. Wir beziehen uns auf die Arbeiten des Kioskplatzes im museo de la democracia und andere, die Formen der Gewalt durch performative Operationen kritisieren. In diesen Block werden die Forschungen von Victor De La Rocque, Zoltan Kunckel, Andressa Cantergiani, Cheril Linett eingebracht.

>> Teil II mit diesen künstlerischen Arbeiten:
Der Künstler Victor De La Rocque präsentiert »Social Shirt Project for people with difficulties in identifying the left side from the right«, ausgehend von einem persönlichen Problem, um die Polarisierung des heutigen politischen Feldes zu kommentieren. Mit Zoltan Kunckel beschäftigen wir uns mit der Figur des Simón Bolívar als Mythos eines Prozesses der wirtschaftlichen und kulturellen Unabhängigkeit, der immer noch instabil erscheint. Schließlich präsentieren zwei Künstler_innen Performances, die sich bewusst mit den Symbolen der staatlichen Macht und Unterdrückung auseinandersetzen: Andressa Cantergiani in »Combate«, einer Aktion, die eine Woche lang im Militärmuseum von Rio Grande Sul, Brasilien, stattfand, und Cheril Linett mit der kollektiven Aktion »Yeguada Latinoamericana«, einer öffentlichen Intervention während der Bürger_innenproteste in Santiago de Chile.

Daniela Labra (AG museo de la democracia)

Daniela Labra ist Kuratorin für bildende Kunst, Forscherin und Kunstkritikerin. Sie hat einen Abschluss in Theatertheorie an der Uni-Rio. Promotion in Geschichte und Kunstkritik an der Schule der Schönen Künste an der Bundesuniversität von Rio de Janeiro mit der Dissertation: Internationale Legitimation der brasilianischen Kunst, Analyse eines Weges: 1940-2010, Gewinner des Gilberto Velho Thesis Award, 2015. Postdoc-Forschung an der School of Communication der UFRJ, 2016. Arbeitet hauptsächlich zu den Themen: Brasilianische Kunst, lateinamerikanische historische und ästhetische Prozesse, Performancekunst, Performativität, Kunst und Politik. Gründerin der Plataforma Zait de Estudos em Arte Contemporânea; Professorin am Node Center, www.nodecenter.net; Professorin für Kunsttheorie und -geschichte an der Parque Lage Visual Arts School, Rio de Janeiro (2010-2016). Kunstkritiker bei der Zeitung O Globo (2014-2016). Zusammenarbeit mit verschiedenen Kunstmagazinen und Institutionen seit 2013. Ausgewählte Kurationen: museo de la democracia, nGbK, Berlin, 2021; Frestas Triennial 2017: Between Post-truths and Happenings, SESC Sorocaba, São Paulo; Performance Arte Brasil Festival, MAM Rio de Janeiro, u.a. 2011. Sie lebt und arbeitet zwischen Berlin und Rio de Janeiro.

https://www.artesquema.com/
https://www.zait.art/